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Chapter 4: Der Penang Traveler Blues

Stefan • January 23, 2019

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Mit dem Speedboot dauert es knappe drei Stunden bis nach Penang. Die Insel liegt im Nordwesten Malaysiens, aber schon ein Stücken südlicher als Langkawi. Die Hauptstadt von Penang ist George Town.
Dort nächtigen die meisten Touristen, so auch ich. Viel mehr gibt es eh nicht. Der andere Teil der Insel ist ein großer Nationalpark, voll Dschungel. Man kann mit dem Scooter hinfahren. Soll schön sein. Die meisten Leute sind aber auf Penang um sich George Town anzusehen, durch die Gassen zu flanieren und zu essen.
Denn dafür ist Penang auch bekannt: Das ausgezeichnete, sehr abwechslungsreiche, Essen. Und das ist - um ehrlich zu sein - auch ein Hauptgrund weshalb ich Penang in meine Reiseroute mit aufgenommen habe. Alles andere klingt für mich ein bisschen nach Touristenfalle. Aber ein paar Tage extra gut essen (oder zumindest mal sehen warum alle davon sprechen) kann ja nicht schaden.

Penang Basics

Wie sich schon am Namen erkennen lässt ist George Town (sowie die gesamte Insel) eine ehemalige britische Kolonie. Irgendwann ab dem späteren 18ten Jahrundert soll das gewesen sein. Die Briten haben die gesamte Insel dem dortigen Sultan abgeluchst, bzw der Sultan hätte die Insel der britischen East India Trading Company "überlassen", heißt es dazu freundlich in den (westlichen) Geschichtsbüchern. Die Briten haben also ein Fort auf die Insel gebaut und rundherum hat sich die Stadt George Town gebildet.
Malaysien generell ist ja schon ein sehr interessanter Mix an unterschiedlichsten Ethnien. In Penang wird das durch den starken europäischen Einfluss noch abwechslungsreicher. Auf den ersten Blick erkennt man das an der Architektur in George Town. Es stehen viele alte britische, bzw europäsch geprägte Gebäude neben Gebäuden mit malaysischen, chinesischen, oder indischen Einflüssen. Die Gassen sind manachmal ganz schmal und erinnern an eine europäische Stadt, dann wieder ganz weite Straßen mit all dem asiatischen Trubel. Manche der Gebäude sind wirklich alt, noch aus der Kolonialzeit. Aufgrund dieses Mixs und der vielen alten Gebäude gehört George Town wohl auch zum UNESCO Weltkulturerbe.

Malaysische Volksgruppen

Weil ich es jetzt schon paarmal nebenbei erwähnt habe: Also eigentlich ist es schwer von "den Malaysiern" pauschal zu sprechen. In Malaysien treffen sehr viele unterschiedliche Ethnien, Religionen und Kulturen aufeinander. Dazu kommt dass das riesige Land in zwei sehr große Teile (West- und Ostmalaysien, mit wiederum mehreren Bundesstaaten) auch geographisch unterteilt ist.
Bezüglich der malaysischen Volksgruppen wiederum unterteilt sich die Bevölkerung hauptsächlich in: Malaien, Chinesen, Inder und ein paar indigene Völker. Es gibt also malaysische Chinesen, malaysische Inder, die Malaien selbst, und viele mehr. All diese unterschiedlichen Volksgruppen bringen auch ihre eigene Sprache, Religion und Kultur mit ein. Die meisten sprechen zwar Malaysisch als Hauptsprache, aber nicht alle. Auch die Malaysier selbst sprechen untereinander manchmal Englisch. Das ist - neben der guten Schulbildung - wohl auch der Grund weshalb die meisten Menschen hier so gut Englisch sprechen können. Sie brauchen es auch um selbst unterreinander zu kommunizieren.


Ein Rundgang durch George Town

Ich gehe also am frühen Nachmittag in Penang, Goerge Town, an Land und spaziere aus dem Hafen raus. Die Gebäude rundherum erinnern an alte britische Verwaltungsgebäude (das waren sie wahrscheinlich auch). Wenn nicht das tropische Wetter zu spüren wäre könnte man auch glauben man ist gerade in Liverpool, Brighton, oder einer anderen x beliebigen englischen Hafenstadt angekommen.

Mein Hostel liegt im Stadtteil "Little India", wird aber von einem malaysischen Chinesen betrieben. Es ist eine komische Mischung irgendwie. In meinem Zimmer bin ich mit Abstand der Jüngste. Ein älterer US Amerikaner der der auch bei mir im Zimmer liegt schaut eins zu eins aus wie der Film Regisseur David Lynch. Wirklich. Ich bin komplett irritiert während er mit mir spricht und mich begrüßt. Ich überlege die ganze Zeit ob es nicht vielleicht wirklich David Lynch sein könnte, der sich in einem kleinen chinesischen Hostel in George Town verkriecht. David ist Ende 60 und bereits in Pension. Er erzählt mir dass er diese am liebsten durch Asien reisend verbringt.

Ich erkunde die nähere Umgebung. Auf der einen Straßenseite ein chinesischer Tempel, auf der anderen viele indische Shops die alles mögliche Glumpert verkaufen. Ich spaziere weiter in den indischen Stadtteil hinein. Durchgehend sprechen mich Inder an und wollen mir irgendwas verkaufen. Ich flüchte in die nächste Seitengasse. Dort hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Es wird gerade ein kleiner indischer Schrein von einem LKW abgeladen. Der Schrein wird anlässlich eines wichtigen hinduistischen Feiertags aufgestellt erklärt mir der Mann neben mir. Ich bleibe noch kurz stehen und schau mir das pfuschige Schauspiel an. Ein Wunder das niemand verletzt wird. Aber es geht alles gut und der Schrein wird aufgestellt.

Mir wirds zu stressig (und noch dazu viel zu heiß) im Gassengewirr von Little India und ich versuche den kürzesten Weg hinaus zu finden. Ich bekomme langsam Hunger und entscheide mich spontan hier doch noch was zu essen. Indisch hatte ich eh lange nicht. Und wo wenn nicht hier? Ich biege in das erst Beste indische Restaurant ab. Es sitzen viele Locals drinnen. Das ist meist ein gutes Zeichen.
Ich warte eine längere Zeit am Tisch ohne bedient zu werden, bis ich checke das sich jeder selbst zu essen holt. Ich möchte Cury. Erste Station: Reis. Bei der nächsten die Entscheidung: Von den ca 10 unterschiedlichen Töpfen würde ich fast die Hälfte davon in das Cury Eck einordnen. Aber keine Ahnung was genau drinnen ist. Angeschrieben ist natürlich nichts. Planlos schau ich in die Töpfe und rühre so unauffällig wie möglich um, um herauszufinden was drinnen sein könnte. Plötzlich steht ein Typ vor mir. Anscheinend ein Angestellter des Restaurants. Er schaut mich skeptisch an, wahrscheinlich weil ich in seinen Töpfen herum rühre. Er kann nicht wirklich Englisch. Ich Frage "Cury?" und deute auf einen Topf dessen Inhalt mir leiwand erscheint. "Yes, yes", sagt er. Ich frage ihn was drinnen ist. Er versteht mich nicht. Ich frage nochmal und er sagt nur "Good, good. Mhmmm" und reibt sich dabei über den Bauch. Ok. Ich hab Hunger, das wird schon passen.
Das Cury schmeckt super. Aber das Fleisch ist irgendwie komisch, bzw die Konsistenz macht mich stutzig. Es lässt sich sehr schwer kauen. Wie Gummi. Auf der einen Seite ist es sehr glatt, auf der anderen ganz rau strukturiert, wie die Oberfläche einer Zunge. Noch rauer. Ich quäle mich vier, fünf Stücke zu essen und versuche herauszufinden ob ich mich damit anfreunden kann. Woran erinnert mich das, was könnte das sein?
Dann check ich's! So würde ich mir einen Magen vorstellen. Aaaah! Deshalb hat sich der Typ so über den Bauch gestrichen. Ok. Das geht gerade garnicht. Ich esse noch schnell den Reis mit der Sauce auf und schiebe die Magen Stückchen zur Seite. Ich muss schnell hier raus. Wenn ich die Stücke nur ansehe wir mir schon bissl schlecht.

Ein Hindu Schrein in Little India wird abgeladen Das ehemalige britische Fort in George Town, Penang Park in George Town

The blues kicks in

Den Rest des Tages spaziere ich durch George Town. Es ist eine wirklich nette, durchgemischte Stadt. Die Gassen sind wirklich lässig, mit kleinen Cafes, Restaurants, Streetart und unterschiedlichen Shops. Aber nach der gemütlichen Zeit auf Langkawi sind die vielen Leute hier und der Trubel ein ziemlicher Kulturschock. Auf Stadt Besichtigung hab ich gerade nicht wirklich Lust. Lieber würde ich im Batik Village Tee trinken, mit Marcus Schmäh führen, oder mit Yuko duruch Langkawi spazieren.
Es hilft nichts. Jetzt bin ich schon hier. Zurück gehen wäre möglich, würde aber noch weniger Sinn machen. Je mehr ich darüber nachdenke desto klarer wird mir das ich hier auf Penang aber auch nicht länger bleiben möchte.

Ein alter Hafen wurde zu einer Einkaufsstraße umgebaut. Ich dränge mich durch die vielen Leute ganz ans Ende des Piers und setze mich hin. Meine Beine baumeln über dem Wasser, und ich beobachte die alten Fischerboote. Ich setz mir die Kopfhörer auf und höre mir das Bob Dylen - Nashville Skyline Album an. Primär wegen dem Song I Threw It All Away. Den hör ich mir gleich dreimal hintereinander an. Ja, ich weiß. Klingt ein bissl sehr melodramatisch. Aber ich hab einfach gerade Lust auf den Song.

Exkurs: Bob Dylan - I Threw It All Away

Aus Dylan's 1969er Album "Nashville Skyline".
Die Legende sagt das Dylan den Song 1968 George Harrison vorgespielt hat, der so beeindruckt war das er den Song auch selbst in sein Programm aufgenommen hat. Später einmal werden Dylan und Harrison den Song auch gemeinsam performen.

Was ich interessant finde: Von den vielen Dylan Songs über gescheiterte Liebesbeziehungen ist das einer der wenigen in dem der Erzähler selbst Verantwortung für das Scheitern der Beziehung übernimmt.
Und: Nichts verklausuliertes hier. Simple Gschicht. Im letzten Vers gibt's sogar noch einen guten Tipp dazu...

I once held her in my arms
She said she would always stay
But I was cruel
I treated her like a fool
I threw it all away
Once I had mountains in the palm of my hand I must have been mad I never knew what I had And rivers that ran through every day Until I threw it all away
Love is all there is, it makes the world go 'round No matter what you think about it You just won't be able to do without it Take a tip from one who's tried
So if you find someone that gives you all of her love Take it to your heart, don't let it stray For one thing that's certain You will surely be a-hurtin' If you throw it all away If you throw it all away

Während ich am Pier sitze, Dylan höre und die Sonne langsam untergeht, überlege ich mir wohin ich als nächstes weiter reisen möchte. Wenn möglich keine Stadt. Am besten wieder eine Insel. Ich versuche mich zu erinnern. Mino hat irgendwas von einer Insel erzählt wo er mit seiner Familie zum Urlaub machen hingefahren ist (Das hab ich witzig gefunden, die Familie wohnt ja bereits auf einer Urlaubsinsel). Auch an der Westküste. Aber mir fällt der Name nichtmehr ein. Ich suche auf Google Maps die Westküste ab. Pangkor Island? War es die? Ich google kurz. Auf Wikitravel nur ein kurzer Eintrag. Dürfte anscheinend primär bei Malaysiern selbst, zum Kurzurlaub machen, beliebt sein. Optimal. Das wird die Insel sein!
Nur ein paar Guesthouses die man online buchen kann. Ich buche auf Verdacht zwei Nächte irgendwo. Ok, mal schauen. Ich hab wieder ein Ziel vor Augen und fühl mich gleich ein bisschen besser.

Am Boden hinter mir bemerke ich eine Frau die gerade angestrengt auf ihr Handy Display schaut. Sie hat auch eine booking site offen und ist gerade dabei etwas zu buchen. Ich muss grinsen. Sie sieht auf und schaut mich fragend an. "Also looking for an escape from Penang?", frage ich sie. Sie lacht: "Yes, too many people here". Ich erzähl ihr das es mir genauso geht und ich auch gerade was Neues gebucht habe. Wir tratschen ein bisschen. Was ihre Pläne sind, solange sie noch auf Penang ist? "Probably eat a lot and try to get drunk". Ja, das klingt eigentlich ganz Vernünftig, denk ich mir.


Ich bleibe noch eineinhalb Tage auf Penang. Die verbringe ich meistens herumschlendernd und essend. Es gibt einen schönen Park, in dem ich Morgens laufen gehen und Nachmittags lesen kann. Im Hostel suche ich mir ein ruhiges Eck und programmiere bisschen vor mich hin.
Ich finde noch wirklich gutes Essen in einer riesigen Essenshalle. Schaut bisschen komisch aus, aber das Essen ist wirklich super! Man kann aus gefühlt 20 - 30 unterschiedlichen Essensstandlern wählen, die rund um einen positioniert sind. Foodtemple, quasi. Den Tipp hat mir ein netter Brite aus meinem Hostel auf Langkawi gegeben.

Für die Abende stoße ich auf eine ganz annehmbare Bar, in der Bier auch einen halbwegs akzeptablen Preis hat. Die malasischen Kellner sind voll witzig. Julie und Chelsea, zwei Mädels aus Belgien sprechen mich an ob sie sich zu mir auf ein Bier dazu setzen dürfen. Julie arbeitet eigentlich als Animateurin in einem Allinklusive Club und erzählt die ganze Zeit irgendwas.
Im Hostel tratsche ich mit Robert, der auch bei mir im Zimmer liegt. Er ist aus Barcelona und seit einem halben Jahr mit dem Rad unterwegs. Er hat bereits Kanada und Neuseeland durchquert und möchte jetzt noch Malaysien und Thailand durchradeln. Ich schau mir sein Bike an, wir fachsimpeln bisschen über Fahrräderer generell, und er erklärt mir welches Equipment und Trägersystem gut geeignet für so eine Reise ist.

Boote vor Penenag Ein Welktklasse Nasi Goreng Lamb Chop Der Foodtemple

Mein letzter Abend auf Penang. Ich packe meinen Rucksack und sage Tschüss zu David Lynch und Robert.
Morgen möchte ich früh los starten. Ich bin mir noch nicht ganz sicher wie ich überhaupt auf die Insel Pangkor komme. Das muss ich Morgen dann vom Festland aus in Erfahrung bringen. Also möglichst eine der ersten Fähren zurück nach Butterworth (das ist die nächste Anlegestelle am Festland) erwischen, und dann mal die Busstation auschecken.

Vor dem Einschlafen denke ich nochmal an Marcus, Mino, Yuko und die Anderen, die ich auf Langkawi zurück gelassen habe. Schon komisch. Wenn man sich unterwegs mit niemanden anfreundet fehlt nach einiger Zeit irgendwas. Freundet man sich aber mit Leuten an und muss diese dann wieder verlassen, so macht das auch traurig.
Aber vielleicht gehört auch genau das zum Reisen dazu.
Laufend müssen Freundschaften "weggeschmissen", und an anderer Stelle wieder neu aufgebaut werden.

Once I had mountains in the palm of my hand
I must have been mad
I never knew what I had
And rivers that ran through every day
Until I threw it all away